18.07.2011
Es war der Tag, auf den ich lange und sehnsüchtig gewartet hatte. Der Tag, der ein neues, spannendes Leben für mich bereithalten würde. Es war der Tag, an dem ich von zuhause ausgezogen bin. Seitdem sind heute auf den Tag genau 3 Jahre vergangen. 3 Jahre! Diese Zeit verging so wahnsinnig schnell und trotzdem hat sich so vieles getan, verändert und ich habe so vieles erlebt. Habe viele neue, interessante und liebe Menschen kennen gelernt, habe gelernt auf eigenen Beinen zu stehen und musste so manche Krise meistern.
Zum Umzug hatte ich Unterstützung von meinen Eltern und David, ohne die ich wahrscheinlich schon beim Aufbau des Bettes verzweifelt wäre. Zwei Tage später fuhren meine Eltern zurück, die Arbeit rief. Ein paar Tränchen flossen, aber im Prinzip war es weitaus weniger schlimm als befürchtet. Eine Woche später dann die Abreise von David, auch hier war der Abschied kurz und schmerzlos. Zurück in die Wohnung – wo inzwischen ein kleiner Monty eingezogen war – und ich realisierte, dass ich allein war. Auf mich gestellt. Und das für zwei Wochen, bevor David das erste Wochenende wieder hier sein würde. Diese Vorstellung war so unrealistisch, so traurig. Und das war der erste Moment, in dem ich mir wünschte wieder zuhause zu sein. Seltsam, oder? Noch eine Woche vorher war ich hellauf begeistert von der neuen Wohnung, von dem neuen zuhause, von dem neuen, aufregenden Leben. Aber jetzt wünschte ich mir nichts anderes mehr, als mein altes Leben. Heiße Sommertage am Strand, Treffen mit den Freunden, Abendbrot mit der Familie. Auf all das musste ich hier nun verzichten, denn im Prinzip war ich allein, hatte niemanden. Klar war mir das vorher bewusst, aber irgendwie hatte ich mir das einfacher vorgestellt.
Zwei Wochen später begann meine Ausbildung, mehrere Tage vorher war ich so aufgeregt, dass ich kaum schlafen konnte. Ich lernte die Person kennen, die mich in der ersten Zeit in der neuen Heimat ein bisschen an die Hand nahm, mir etwas das Gefühl der absoluten Einsamkeit nahm. Meine liebe Mitazubine Valli. Eine Woche später, nach der Einführungswoche, dann der erste Tag im Büro. Ich lernte viele neue Menschen kennen, eine von ihnen war Cora. Anfangs, das muss ich zugeben, war Cora mir etwas suspekt. Sie war für mich die, die vor mir die Ausbildung gemacht hatte, die deren Maßstab ich erreichen musste. Und wenn ich die Dinge sah, die sie machte, wurde mir schlecht. Sowas würde ich im Leben nicht zustande bringen. So geht es mir ja teilweise auch heute noch, aber nach mehreren Gesprächen mit Cora darüber, habe ich nun begriffen, dass sich sowas erst mit der Zeit formt und auch sie anfangs nicht so tolle Ideen hatte.
Es dauerte nicht lange und Cora und ich freundeten uns langsam an. Ich glaube, das fing an, als Cora an ihrem Geburtstag total fasziniert neben mir saß und mich dabei beobachtete, wie ich meine verlorene Kontaktlinse wieder ins Auge pfriemelte. Ich glaube, das war das erste Mal, dass Cora und ich mal nicht so ein typisches Kollegengespräch hatten. Bald kam es dann dazu, dass wir gemeinsam nach einer Möglichkeit zum Reiten suchten und recht schnell auch bei Judith fündig wurden. Und seitdem sind wir Freunde, die irgendwann zu guten Freunden, sehr guten Freunden und schließlich besten Freunden wurden. Eine Bereicherung, ohne die die Zeit hier in der Eifel sicher nicht ganz so schön gewesen wäre. Auch, wenn die Anfänge schwierig waren und sich keiner von uns so richtig traute nach einer gemeinsamen Unternehmung zu fragen. Anfangs ging das nur in Begleitung der Jungs, oder wenn die Jungs uns drängten. Aber auch das änderte sich bald und sowohl Cora als auch ich legten Schüchternheit und Zweifel ab und wir trafen uns öfter, unternahmen lustige und spannende Dinge zusammen.
Im September 2012 dann ein absolutes Highlight für mich. Es ging zum Konzert von Coldplay! Ein Geschenk, das David mir zum Geburtstag gemacht hat und was ich definitiv in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde. 3 Monate später war es endlich soweit, David zog her. Die Wohnung hatte sich inzwischen geändert, eine wunderschöne große Dachgeschosswohnung mit Mini-Balkon. Zwei neue Mitbewohner waren dazu gekommen. Lya, die kleine, störrische Zwergkaninchendame und Merle, unsere kleine Katze. Und nun endlich auch David. Über ein Jahr hatte ich nun allein hier in der Eifel gewohnt, es gab nur alle 2-3 Wochen ein gemeinsames Wochenende. Was schön und oft war, aber eben auch sehr, sehr stressig. Streit war quasi immer vorprogrammiert, man hatte diesen Druck etwas zu unternehmen und war am Ende des Wochenendes frustriert, dass man so wenig davon geschafft hat. Man wollte einfach jeden Moment genießen und stresste sich selbst so sehr damit, dass es einfach kaum einen erholsamen Moment gab. Ja, das war eine furchtbar anstrengend Zeit und ich hatte viele Zweifel, ob ein Zusammenziehen wirklich eine gute Idee war. Wie sich herausstellte war sie das. Klar, Stunk gibt es immer mal wieder. Aber das gibt es ja bekanntlich in den besten Familien.
Und seitdem geht es eigentlich nur aufwärts. Ich genieße die Tage hier, genieße die Abende, an denen wir einfach nur zuhause sitzen oder etwas mit unseren neuen, wunderbaren Freunden machen. Ich genieße die Zeit, die ich einfach mal allein mit Cora habe, genieße die neugewonnen Freiheiten, die ich mir selbst schaffe. Ich genieße es, am Ende des Monats auf mein Konto zu sehen und freue mich dann, dass ich dieses Geld allein verdient habe, dass ich auf eigenen Beinen stehe. Ich genieße es, dieses verdiente Geld auch mal für einen kleinen Luxus auszugeben, ich genieße es mit David durch Koblenz zu schlendern und mir ein paar schöne Dinge zu leisten. Ja, ich genieße dieses Leben, das ich für mich gewählt habe.
Natürlich gibt es hier und da Momente, an denen ich mir wünsche wieder zuhause zu sein. Besonders der letzte Urlaub in der Heimat hat tief in mir ein kleines Loch aufgekratzt, das die Sehnsucht nach der Heimat geweckt hat. Aber ich denke, dass das normal ist, dass man sich manchmal nach dem richtigen zuhause sehnt. Dieser Zustand soll ja auch nicht ewig halten. Irgendwann wird es definitiv wieder ein Stück weiter in die Heimat gehen, denn das ist und bleibt sie. Die Heimat, der Ort an dem man aufgewachsen ist. Der Ort, an dem man so vieles erlebt hat. Der Ort, an den man immer wieder zurückkehren wird.
Aber ich glaube, ich brauchte diesen Schritt. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht in weggezogen wäre. Ich wäre weitaus weniger selbstständig, hätte bestimmt auch weniger Selbstvertrauen. Ja, ich bin froh diesen Schritt gemacht zu haben. Allein schon wegen der Menschen die ich kennenlernen durfte. Auch wenn es nicht immer einfach war in den letzten 3 Jahren, es hat sich gelohnt.